Wer bin ich?

Wer bin ich, was bin ich, wo bin ich?

 

Manchmal bin ich im Wald unterwegs und wenn die Sonne untergeht und die Farben plötzlich verblassen und ein Vogel laut ruft: „Ruhe, nochmal!“, dann kann es sein, dass mir eine Geschichte einfällt, manchmal Jahre später.

Einmal ist mir keine Geschichte eingefallen, als meine Kinder noch klein waren und ich jeden Abend eine Gutenachtgeschichte erzählen sollte. Da erfand ich die Geschichte von Theo, dem Geschichtenerzähler, der all seine Geschichten vergessen hatte. Am Schluss riefen meine Kinder: „Nicht aufhören, erzähl noch eine Geschichte!“

Manchmal oder fast immer möchte ich wissen, was hinter der nächsten Kurve liegt. Als Kind war ich mir sicher, dass es unter der Kellertreppe weiter gehen muss, irgendwie immer tiefer. Heute glaube ich das nicht mehr so richtig, das mit der Treppe, aber dass es irgendwie immer tiefer geht, davon bin ich überzeugt.

Als Kind sah ich einen Maler am Straßenrand, wie er ein Bild von unserer Dorfkirche malte. Da wollte ich Maler werden.

Wenn die Leute fragten: „Was möchtest du mal werden, wenn du groß bist?“, antwortete ich mit einem Achselzucken: „Hm, weiß nicht!?“

In der Schule musste ich Geschichten aufschreiben, das hieß dann Aufsatz oder Diktat, da bekam ich immer Bauchschmerzen und schlechte Noten, weil manchmal irgendwie der letzte Satz verloren ging oder die Matrosen „Ei Ei Kepten!“ riefen. Einmal sollten wir einen Fuchsschwanz mit in die Schule bringen, ich hatte nur einen von einem Waschbären oder so. Heute weiß ich, dass der Lehrer eine Säge meinte. – Aber malen konnte mein Lehrer!

Meine Großmutter sagte immer wieder zu mir: „An dir ist ein Künstler verloren gegangen!“, ich weiß bis jetzt nicht so genau, was sie damit meinte.

Ich habe dann nach der Schule auch einen richtigen Beruf gelernt. In der Mittagspause zeichnete ich oft mit dem dicken Bleistift Bilder an die Wand, die ich danach aber mit Fliesen überkleben musste.

Das mit den Fliesen war nicht meins, so ging ich wieder in die Schule. Im Klassenzimmer gab es schöne Tische mit der perfekten Oberfläche für meine Zeichnungen. Manchmal gab es deshalb Ärger.

Später habe ich „im Tunnel“ gearbeitet, so nannte ein Mann das alte Haus für Männer ohne ein richtiges Zuhause. Dort konnte ich die Bäder und Zimmer renovieren, damit die Männer wenigstens ein bisschen ein Zuhause hatten. Ich hoffe, manche von ihnen haben wieder aus dem Tunnel herausgefunden.

Immer wieder besuchte ich meine Freunde vom Stamm der Cree in Kanada, dort lebte ich im Tipi und baute mir eine kleine Blockhütte an einem schönen See. Wochenlang waren wir mit dem Kanu unterwegs, manchmal war ich auch alleine auf einer einsamen Insel. Da konnte ich den Kieselsteinen beim Rascheln zuhören.

Malerei habe ich erst spät studiert, um Ecken herum. Erst Visuelle Kommunikation, damit kann man Werbung machen oder zum Glück auch Bücher, das war meine Rettung. So entstand „Die Rübe“, nach den Brüdern Grimm – mein erstes Bilderbuch, eigentlich mein drittes oder viertes. Ich habe viel geübt …

Bei Lesungen erzähle ich den Kindern immer von den Verlagen, die meinten dort: „So tolle Bilder und so eine blöde Geschichte!“

Nach und nach entstanden viele Bücher, das größte Buch ist eigentlich kein Buch. Es ist ein Kindergarten mit riesigen Wänden, an denen sich meine Bilder Geschichten erzählen, ohne Worte.

Auf einer langen Wanderung durch die Wildnis Lapplands ist mir klar geworden, der direkte Weg ist nie gerade …

 

Dieter Konsek

 

 

 

 

… und Wolken haben kein Geländer.

 

 

 

 

 

 

 

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